Ingeborg Hoffmann

In der Silvesternacht zum Jahr 1952 lernt Michael Ende seine spätere Frau Ingeborg Hoffmann, geboren am 1. Juli 1921, während einer Party bei Freunden kennen: Die damals bekannte Vollblutschauspielerin, "rothaarig, feurig und schick", wie Michael Ende erzählte, steuert direkt auf ihn zu, während er hinter einer von Plastik-Efeu überwucherten Theke den Barkeeper mimt, und sagt: "Angelehnt an die Efeuwand dieser alten Terrasse..." Als Michael Ende, der das Zitat sofort erkennt, "Mörike" erwidert, haben sich die beiden gefunden. Die acht Jahre ältere Frau macht einen starken Eindruck auf Michael Ende. Und Ingeborg Hoffmann gefällt der junge Mann seiner literarischen Bildung und seiner künstlerischen Interessen wegen. Das intensive Gespräch über all das Wesentliche dieser Welt, das die beiden in jener Nacht beginnen, wird 33 Jahre fortdauern und erst durch Ingeborg Hoffmanns Tod abrupt beendet werden. Es war kein einfaches Verhältnis, das die beiden über all die Jahre verband: Immer rangen sie um den höchsten Anspruch, immer galt in ihrer Beziehung der größtmögliche Einsatz - an Wahrhaftigkeit, Intensität und Offenheit. Da musste es zwangsläufig Enttäuschungen geben, da wurden gegenseitig viele schmerzvolle Verletzungen zugefügt.

Zwei Menschen waren aufeinander gestoßen, "die sich Außerordentliches antun konnten, im Guten wie im Bösen". Von Kindheit an steht für Ingeborg Hoffmann fest, dass sie für das Theater lebt. Bereits mit 15 tritt sie ihr erstes Engagement als Tänzerin in Elbing an, spielt in Salzburg und Bremen und später dann, während des Krieges im Zuge der so genannten Truppenbetreuung, für die deutschen Soldaten an der Front. 1942 heiratet sie den Militärarzt Dr. Gerko Hoffmann. Ein Jahr später kommt der Sohn Michael Hoffmann zur Welt. Die Ehe scheitert, Ingeborg Hoffmann kehrt nach München zurück, lebt mit Mutter, Tante und Sohn in einer Wohnung in der Siegfriedstraße. Sie spielt weiter, unter anderem auf den Bühnen von München, Stuttgart und Zürich, arbeitet auch für den Funk, Radio München, und synchronisiert sehr viel. Immerhin muss sie eine vierköpfige Familie ernähren. Als sie, angeregt von der jüdischen Schriftstellerin Vera Hacken, in Erwägung zieht, mit ihr in die USA auszuwandern, und bereits alle dazu nötigen Dokumente beisammen hat, lernt sie in jener schicksalhaften Silvesternacht Michael Ende kennen.

Nichts ist für Ingeborg Hoffmann wichtiger als Wahrheit, für nichts kämpft sie leidenschaftlicher als für Gerechtigkeit - egal, wie viele Feinde sie sich dabei macht. Immer sagt sie, was sie denkt, was sie für richtig hält: Den Schaden, der dabei entsteht - in der Regel für sie selbst -, nimmt sie in Kauf. Ihr Weltbild ist magisch: Für ihre Kunst, Karten zu lesen, ist sie nicht nur bei Freunden bekannt. Überall, in Landschaften, Kunstwerken und selbst bei Menschen, die sie neu kennen lernt, erkennt sie das Wunderbare, für das sie einen besonderen Blick entwickelt. Erzählt sie einmal selbst eine Geschichte, verliert sie sich in Details und unendlichen Verzweigungen. Immer gilt ihr Interesse dem Wesentlichen, doch das Leben zwingt sie, sich erst einmal mit dem Notwendigen zu befassen. Sie trägt es mit Fassung: Ihre Einsicht in dieses Schicksal macht sie liebenswert. Peter Boccarius, ein guter Freund, schildert sie so: "Ingeborg, die Schwierige. Die Verletzliche, die Leidenschaftliche. Ein Vulkan. Eine Kerze, die an beiden Enden zugleich brennt. Manche halten sie für verrückt. Immer ist sie unbequem, immer kämpft sie gegen irgendetwas, für einen geprügelten Hund am Straßenrand genauso wie für die hungernden, geschundenen Kinder in Vietnam. Niemand kann lau auf sie reagieren - sie hat Freunde oder Feinde."

Ingeborg Hoffmann sucht immer die Herausforderung: Das Theater und die Schauspielkunst sind für sie das Wichtigste und Schönste. Die Kraft des gesprochenen Wortes fasziniert sie. Wenn ihr ein Text gefällt, kann sie ihn so großartig in Szene setzen, dass er ein Eigenleben gewinnt. Wehe aber, wenn das Gegenteil der Fall ist: Sie trägt den Text dann so lustlos vor, dass er buchstäblich in sich zusammenfällt. Ingeborg Hoffmann und ihre Kunst des Vorlesens: Die Manuskripte, die Michael Ende schreibt, liest sie ihm Seite für Seite vor, gemeinsam wird darüber diskutiert, über eine Episode, einen Gedanken, ein Wort, stundenlang, nicht selten nächtelang. Sie unterstützt und fördert mit Leib und Seele das Anliegen, das Michael Ende auf der Seele brennt: die Suche nach dem Zauberwort, das der Welt ihre Bedeutung zurückgeben wird.
Ingeborg Hoffmann gewinnt Michael Ende dazu, sich aktiv für die Humanistische Union zu engagieren, die sich für die Stärkung der humanistischen Werte in unserer Gesellschaft einsetzt. Gemeinsam engagiert man sich für die Menschenrechte, gegen die Wiederbewaffnung, für den Frieden. Die Union organisiert Lesungen, Vorträge und Podiumsdiskussionen. Immer ist die weltanschauliche Toleranz das zentrale Thema.

Durch Ingeborg Hoffmanns zahlreiche Beziehungen findet Michael Ende auch Kontakt zu verschiedenen politisch-literarischen Kabaretts, die gerade ihre beste Zeit haben (Kleine Freiheit, Die kleinen Fische, Lach- und Schießgesellschaft). Therese Angeloff, die damals das Kabarett Die kleinen Fische leitet, gibt 1955 Michael Ende den Auftrag, zum 150. Todestag von Friedrich Schiller eine Nummer zu schreiben. Er verfasst einen Sketch, in dem ein Schillerdenkmal interviewt wird. Auf die tagesaktuellen Fragen antwortet das Denkmal immer mit Zitaten aus den Werken Schillers. "Das gab stürmischen Applaus, und daraufhin bestellten auch andere Kabaretts Nummern bei mir." Michael Ende schreibt Sketche, Chansons, Soli. Zum ersten Mal verdient er sich mit Schreiben ein bescheidenes Einkommen. Mehrmals führt er Regie am Volkstheater München, unter anderem bei August Strindbergs Gustav Wasa.