Die Eskapismus-Debatte in Deutschland

Michael Endes Umzug nach Italien hängt stark mit der in Deutschland herrschenden Eskapismus-Debatte zusammen, die er als richtiggehend erstickend empfindet. Von der damaligen Literaturkritik werden nur Bücher mit sozialkritischem Inhalt und politisch erzieherischer Wirkung ernst genommen, während phantastische Literatur als Fluchtliteratur abqualifiziert wird. Michael Ende ist es leid, sich ständig für seine Beschäftigung mit dem Phantastischen selbst vor seinen Freunden rechtfertigen zu müssen, ja, er entwickelt eine Gereiztheit gegenüber allem Deutschen, so dass er fürchtet, der eigenen Nation gegenüber ungerecht zu werden.
In Italien herrschen derartige literarische Einschränkungen nicht. "Du kannst sozialkritisch sein, aber du kannst genauso gut phantastisch sein. Wichtig ist, dass es überhaupt etwas ist, was du schreibst." Die dort herrschende künstlerische Freiheit und Toleranz faszinieren Michael Ende und regen ihn bei seiner Arbeit an. Er nimmt an literarischen Zirkeln teil und lernt im Laufe der 15 Jahre, die er in Italien verbringt, die wichtigen Vertreter der römischen Literatur und Kunst kennen.

Michael Endes Aufenthalt in Italien beeinflusst stark sein Deutschlandbild. Aus dem Abstand heraus gelangt er zu einem neuen Verständnis seines Landes und seiner Kultur. Der Perspektivwechsel, der einen neuen Blick auf die eigenen Wurzeln erlaubt, schärft seine Wahrnehmung. Michael Ende rät jedem, der in deutscher Sprache schreibt, "mal für einige Jahre ins Ausland zu gehen, um die eigene Kultur und die eigene Nation eine Zeitlang mit den Augen der anderen zu betrachten. Man wird ungeheuer viel an Positivem, und Negativem natürlich, sehen, was man nicht sieht, solang man drinsteckt".