Der Traum vom europäischen Film

Über die Verfilmung von Die unendliche Geschichte schließen 1980 Michael Ende und sein Verlag einen Vertrag mit einem jungen Filmproduzenten ab, der zuvor bis nach Genzano gereist war, um Michael Ende sein Projekt vorzustellen. Beide Parteien besitzen klare Vorstellungen davon, welche Art von Film sie anstreben: Es soll ein europäischer Film werden, ein leiser, poetischer Film, der den Zauber des Buches vermittelt. Als die Nachricht der geplanten Verfilmung durch die Presse geht, erhält Michael Ende zahlreiche Protestbriefe von jugendlichen wie auch erwachsenen Lesern, die teilweise bittere Vorwürfe gegen ihn erheben. Michael Ende nutzt die Gelegenheiten, die sich ihm durch Interviews und Briefe bietet, um seine Entscheidung zu rechtfertigen. Er ist davon überzeugt, dass der Film ein künstlerisches Medium ist, "weil ich einige Filme in meinem Leben gesehen habe, die ich für Kunstwerke halte" .
Erst später erfährt er auf Umwegen, dass sein Vertragspartner ohne sein Wissen den Vertrag mit hohem Gewinn an die Neue Constantin Filmgesellschaft weiterverkauft hat.

Bernd Eichinger, der Produzent der Neuen Constantin, kann aber die Bedenken Michael Endes zerstreuen und ihn von seinem Plan überzeugen. Zwar ist Michael Ende bewusst, dass die Umsetzung seines Romans nicht einfach ist, und er beschäftigt sich sehr mit der Frage, wie man die Entstehung von Bildern, die sich während der Lektüre im Kopf des Lesers bilden, schließlich im Film in eine allgemeine Form bringen kann. "Die Gefahr, die ich sehe, besteht eigentlich darin, dass man vor lauter äußeren, eindrucksvollen Bildern den eigentlichen Kern der Story verliert, das, was den Leuten so direkt zu Herzen geht in meiner Geschichte. [...] Genau das muss gerettet werden. Der Kern muss erhalten bleiben, und das hängt wirklich vom Regisseur ab." Obwohl er um die Gefahren weiß, sich als jemand sieht, der "kein Filmfachmann" ist und "völliges Neuland" betritt, wagt er den folgenschweren Schritt der Zustimmung. Vertraglich bedingt er sich aus, die Wahl des Regisseurs, der Hauptdarsteller und Ausstatter abzusegnen. Zusätzlich möchte die Neue Constantin Film den Autor als künstlerischen Berater, damit das Buch in seinem Sinne filmisch umgesetzt wird. Michael Ende bieten sich also zunächst Bedingungen, die er als "ungeheuer positiv" empfindet.

In der Tat gibt sich der Produzent Bernd Eichinger erst einmal die größte Mühe, Michael Ende in das Verfilmungsprojekt miteinzubeziehen. So fahren beide für zwei Wochen nach Los Angeles, um sich in dem Tricklabor von George Lukas, das als das beste der Welt gilt, über die technischen Möglichkeiten zu informieren, wie Michael Endes Phantasiewesen in filmische Wirklichkeit verwandelt werden können. Michael Ende und Bernd Eichinger scheinen sich über das Ziel des Films einig zu sein: "Wir wollen den bisherigen Fantasy-Filmen einen europäischen Fantasy-Film gegenüberstellen, um einmal zu zeigen, wie wir Europäer so etwas machen." Die Geschichte aber nimmt sehr bald einen ganz anderen Verlauf, als Michael Ende zugesagt war. Er merkt es allerdings zu spät. Am 18. Februar 1983 erhält Michael Ende einen Anruf vom Art-Director Ul de Rico, der ihn fragt, ob er denn tatsächlich mit dem neuen Drehbuch einverstanden sei. Ende weiß von keinem neuen Drehbuch. So erfährt er, dass das Drehbuch, das er gemeinsam mit Wolfgang Petersen schon "mit sehr schwerem Herzen" und "ungutem Gefühl" erarbeitet hat, von Bernd Eichinger verworfen worden ist. Die Überarbeitung durch einen ihm völlig unbekannten Drehbuchautor, den Bernd Eichinger hinter seinem Rücken mit einer neuen Fassung beauftragt hatte, hält Michael Ende für nicht mehr akzeptabel.

Es ruiniere den Sinn seines Romans und mache daraus einen Comic-Streifen, der an der Idee seines Buches völlig vorbeigehe. Er fordert von seinem Verleger, den Verfilmungsvertrag per Telex umgehend zu kündigen. Sein Verlag drängt auf eine letzte Verhandlung mit Eichinger, bevor die Kündigung ausgesprochen wird.Am 10. März 1983 findet in den Räumen des K.Thienemanns Verlags in Stuttgart das entscheidende Treffen statt: auf der einen Seite Michael Ende, die beiden Verleger Hansjörg Weitbrecht und Gunter Ehni samt ihrem Rechtsberater, auf der anderen Seite Bernd Eichinger mit seinen Anwälten. Michael Ende, selbst ohne juristischen Beistand, bemüht sich mit aller Macht, den Film zu stoppen, doch Bernd Eichinger droht im Gegenzug mit einer Schadens-ersatzklage in Millionenhöhe, falls Michael Ende tatsächlich die Rechte zurückziehe. Der Rechts-anwalt des Verlages hält diese Gefahr tatsächlich für begründet und empfiehlt, aus wirtschaftlichen Gründen nachzugeben. Es kommt zur Unterzeichnung des so genannten "Stuttgarter Dokuments". Darin verpflichten sich Verlag und Autor, Herstellung und Auswertung des Films nach dem neuen Drehbuch nicht zu behindern. Falls mit dem Ergebnis tat-sächlich nicht einverstanden, behält sich Michael Ende das vertragliche Recht vor, nach der Vorführ-ung der Nullkopie seinen Namen zurückzuziehen.